Convenience Food

Wer weiß noch, was eine Kochkiste ist? Es ist ein über 100 Jahre altes Relikt einer Zeit, in der das Kochen oder Zubereiten von Speisen einen erheblichen Teil des Tages beanspruchte. Kein Geringerer als der Erfinder der Draisine, Karl von Dreis, hatte auch die Idee zur Kochkiste. Die sparte beim Kochen Zeit, die anderweitig genutzt werden konnte. Das Prinzip war und ist, wie bei allen guten Ideen, schlicht genial einfach. Es braucht nur eine gut isolierte Kiste, in die ein Topf mit kurz angekochten Speisen gestellt wird. Die Kiste wird zugemacht und in den nächsten Stunden sich selbst überlassen. Nun sorgt die gespeicherte Wärmeenergie dafür, dass die Speisen im Topf langsam fertig garen, garantiert ohne anzubrennen. Das spart sowohl Energie als auch Zeit am Herd.

Convenience Food, eine 4000 Jahre alte Erfindung

Doch die Kochkiste, so clever die Idee auch ist, konnte eines nicht, sie konnte den langwierigen Part der Speisevorbereitung nicht ersetzen. Alles, was zur Speisevorbereitung gehört, fällt heute unter den Begriff des Convenience Food. Doch deren Geschichte reicht noch viel weiter zurück als die der Kochkiste, allerdings gab es damals unterschiedliche Begrifflichkeiten dafür. Convenience, das englische Wort für Bequemlichkeit, entstand in diesem Zusammenhang erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert. Streng genommen hatten aber die Menschen, die unbekannterweise das Einsalzen oder Räuchern von Fleisch oder Fisch erfanden, zugleich das erste Convenience Food erfunden. Nach heutigem Wissensstand ist das ungefähr 4000 Jahre her.

Bis es so weit war, lebten die Menschen dieser Zeit als Selbstversorger. Vom Gemüse- und Getreideanbau über die Haltung von Schlachtvieh bis zum fertigen Gericht alles aus einer, der eigenen Hand.

Konservierung oder Haltbarmachung war das Zauberwort

Dieses erste Convenience Food versetzte der menschlichen Entwicklung einen kräftigen Stoß. Der Handel mit weit entfernten Regionen war nun möglich, weil die Speisen mitgeführt werden konnten, wobei die Speisen selbst auch zum Handelsgut wurden. Gleichzeitig begann die Spezialisierung in der Lebensmittelfertigung. Aus Kleinbauern, die etwas Vieh hielten und Gemüse anbauten, um sich und die Familie zu ernähren, wurden spezialisierte Agrarbetriebe, die zum Beispiel nur Schweine züchteten oder nur Getreide anbauten. In der Folge entstanden neue Berufsbilder. Der Metzger oder Schlachter genauso wie der Müller, der Getreide zu Mehl verarbeitete, um nur zwei Beispiele zu nennen.

Die Verfügbarkeit haltbarer Lebensmittel machte zugleich aus dem Bauern, der früher seinen Hof mit eigenen Händen errichtete, den Handwerker, der in den rasant wachsenden Städten Dachstühle errichtete oder Mauern hochzog. Gleichzeitig entstanden administrative und künstlerische Berufe, denn die Versorgung mit Lebensmitteln nahm immer weniger Zeit in Anspruch. Vielen von uns nicht bewusst, dass etwa Mehl, Nudeln oder Reis auch Convenience Food sind. Eigentlich finden sich in einem heutigen Supermarkt nur noch in der Obst- und Gemüseabteilung Lebensmittel, die kein Convenience Food sind.

Convenience Food im 21. Jahrhundert

Im Jahr 1951 war das Flugzeug ein aufstrebendes Verkehrsmittel, das vor allem in den USA die Eisenbahn in Bezug auf die Langstrecke ablöste. Die Passagiere erhielten damals während des Fluges Speisen in Aluminiumschalen, ähnlich wie heute. Der Erfinder Gerry Thomas, der zu dieser Zeit für einen Tiefkühlkost-Produzenten tätig war, hatte die Idee, in diese Aluminiumschalen fertig gekochte Gerichte zu packen, die nur noch aufgewärmt werden mussten.

Das Ganze wurde von ihm TV-Dinner genannt, weil es sich schon damals die US-Bürger nach Feierabend am liebsten vor dem Fernseher bequem (englisch convenient) machten. Wenn sie dazu noch ein Essen bekommen konnten, für das zuvor nicht großartig gekocht werden musste, war das umso besser. Der Erfolg gab Thomas recht. Geplant waren für das erste Jahr 5.000 TV-Dinner. Abgesetzt wurden jedoch 10 Millionen dieser TV-Dinner.

Convenience Food heute sind fertige oder fast fertig zubereitete Lebensmittel, die keinen oder nur noch einen geringen zeitlichen Aufwand sowie technischen Einsatz zur Fertigstellung benötigen.

Convenience Food und seine fünf Fertigungsstufen

Vorgeschnittener und in Schutzatmosphäre abgepackter Käse, gewaschenes Gemüse oder der Fruchtjoghurt im Plastikbecher sind Beispiele für Convenience Food. Je mehr Veredlungsstufen oder auch Arbeitsschritte am Produkt vom Hersteller vorgenommen werden, desto geringer ist später der Aufwand für den oder die Verbraucherin. Das deutsche Bundeszentrum für Ernährung unterscheidet hierbei fünf Fertigungsstufen:

  1. Küchenfertig
  2. Garfertig
  3. Aufbereitfertig oder mischfertig
  4. Zubereitungsfertig bzw. regenerierfertig
  5. Verzehrfertig oder Tischfertig

Convenience Food nach Art der Haltbarmachung

Neben den Fertigungsstufen spielen auch die Verfahren zur Haltbarmachung bei Convenience Food eine wichtige Rolle, dazu zählen:

  • Kühlen
  • Gefrieren
  • Trocknen
  • Pasteurisieren
  • Konservieren
  • Säuern
  • Verpacken in Schutzatmosphäre

Bei vielen der Convenience Food Produkte kombinieren sich Haltbarmachung und Fertigung. So wird das vorgeschnittene Schnitzel (küchenfertig) mit dem Kühlen und der Verpackung in Schutzatmosphäre kombiniert. Aus technischer Sicht besitzt eine profane Tütensuppe einen sehr hohen Fertigungsgrad, wobei sie heute nicht mehr wie früher zuerst komplett vorgekocht und dann getrocknet wird.

Die Lebensmittelindustrie bereitet die Zutaten in verschiedenen Verfahren, wie Vakuumbehandlung, Gefriertrocknung und Mikrowellengarung, jeweils einzeln zu und mischt diese dann zur Tütensuppe zusammen. Der Vorteil dieser Praxis liegt in der präziseren Dosierung der einzelnen Zutaten. So enthält jede Tüten- oder Bechersuppe die exakt gleichen Anteile der jeweiligen Inhaltsstoffe.

Auch die Gastronomie setzt auf Convenience Food

Den Anspruch, bei einem Restaurantbesuch etwas Besonderes serviert zu bekommen, das in der eigenen Küche so nicht selbst herzurichten ist, haben die meisten Besucher einer gastronomischen Einrichtung. Immerhin wird diese Leistung ja in weit höherem Maß bezahlt, als die einzelnen Zutaten es wert sind. In der Regel wird diese Leistung auf den oder die Köchin bezogen, die das ausgewählte Menü zubereitet. Natürlich enthält der Preis für das Essen im Restaurant ebenso anteilig die Serviceleistungen und die Bereitstellung des Umfeldes.

Convenience Food in der Gastronomie

Allerdings haben sich die jeweiligen Anteile, aus der sich die Preis-Kalkulation eines Menüs zusammensetzen, deutlich verschoben. Während früher der Einkauf der Zutaten und deren Vor- und Zubereitung, also der personelle Aufwand, den Hauptteil ausmachten, liegt heute der Schwerpunkt der Kalkulation in den Serviceleistungen. Der Grund dafür ist Convenience Food.

Auf der Speisekarte eines normalen Restaurants finden sich inzwischen nur noch Convenience Food Vorprodukte, für deren Fertigstellung kein Koch mehr am Gastronomieherd stehen muss. Fleisch etwa, wie beispielsweise ein Wiener Schnitzel, wird fix und fertig paniert und vorgebraten, tiefgekühlt und damit fast endlos haltbar, eingekauft. Bei Bedarf muss es nur noch aufgetaut, kurz frittiert, mit einer Zitronenscheibe garniert und zusammen mit gleichermaßen tiefgekühlten Pommes Frites serviert werden.

Dazu wird kein Koch benötigt, der eine dreijährige Lehrzeit absolvierte. Es gibt nichts in der Gastronomieküche, das nicht als Convenience Food erhältlich wäre. Sogar Spiegeleier sind vorgebraten, vakuumiert und gekühlt, erhältlich. Einzig die Sterneküche ist davon „noch“ nicht ganz betroffen. Dafür jedoch kostet ein Menü in einem Sternerestaurant in der Regel eine dreistellige Summe.

Ist Convenience Food deshalb schlecht?

Das kommt auf den Standpunkt an. Convenience Food ist Bestandteil unserer schnelllebigen Zeit, die sich mit hohen Ansprüchen an Qualität paart, wobei Qualität in diesem Moment das bedeutet, was das Marketing der Lebensmittelindustrie vorgibt. Wir haben uns zum Beispiel so sehr an Aromaverstärker gewöhnt, dass bei verschiedenen Tests willkürlich ausgesuchte Personen regelmäßig das künstliche Aroma in Speisen für das echte Aroma halten. Wobei das Aroma einer modernen Frucht oder eines Gemüses aus den Plantagen und Treibhäusern dieser Welt selbst kaum noch dem ihrer wildwachsenden Vorfahren entspricht.

Auf der anderen Seite ist Convenience Food für die Versorgung der Bevölkerung unabdingbar. Inzwischen über 8 Milliarden Menschen auf dieser Erde können nicht alle zu ursprünglichen Selbstversorgern mit eigenem Gemüsegarten und Hühnerstall werden und die meisten wollen das auch gar nicht.

Inzwischen ist auch bei Convenience Food Frische Trumpf

Natürlich ist sich die Lebensmittelindustrie darüber im Klaren, dass ihre Produkte zwar gerne genutzt werden, ihr eigenes Image jedoch nicht unbedingt das Beste ist. Das könnte durchaus an den oft ellenlangen Zutatenlisten auf den Verpackungen liegen, die nur durch den Abschluss eines Chemiestudiums verständlich werden. Doch dazu später mehr.

Aktuell geht es bei Convenience Food um mehr Frische statt um mehr Haltbarkeit. So ist heute sogenanntes Chilled Food oder auch Fresh Cut voll im Trend.

Es handelt sich dabei um frische Produkte, die verzehrfertig im Kühlregal der Supermärkte zu finden sind. Fresh Cut bedeutet, dass Obst, Gemüse und Salate bereits vorgewaschen, geschält und portioniert sind. Diese Produkte mit nur geringer Haltbarkeit, die ohne zusätzlich Konservierung auskommen, liegen auf der momentanen Bio- und Wellness-Linie. Ob dies jedoch mit den Klimazielen in Einklang zu bringen ist, darf zumindest bezweifelt werden, denn in der Regel sind Chilled Food oder Fresh Cut Produkte in Wegwerf-Plastik eingepackt. Damit sich Produkte mit so kurzer Haltbarkeit jedoch finanziell lohnen, müssen sie entsprechend häufig gekauft werden, was den Plastik-Müllberg erhöht. Für Lebensmittelverpackungen wird übrigens kein recyceltes Plastik verwendet.

Wie geht das überhaupt mit Convenience Food in der Verarbeitung?

Wenn Lebensmittel im großen Stil zu Produkten verarbeitet werden, die später im Supermarktregal landen, kommen auch große Maschinen zum Einsatz. Das hat nichts mehr mit dem Küchenmixer, einem 10-Liter-Edelstahltopf oder einer Küchenwaage zu tun. Wenn zum Beispiel das Hackfleisch für die tiefgekühlten Burger in der Gefrierguttheke des Ladens im Fleischverarbeitungsbetrieb zubereitet wird, ist der dafür verwendete Fleischwolf so groß, dass in ihn auch ein Auto passen würde. Er wäre sogar stark genug, das Auto zu zerkleinern.

Die hübsche Dose mit den Ravioli durchläuft eine Abfüllanlage, die so groß wie ein Einfamilienhaus ist und die Tomatensoße dafür blubberte zuvor in einem 200-Liter-Bottich. All diese großen Maschinen benötigen, damit sie funktionieren, technische Hilfsstoffe. Diese dürfen sogar mit den Lebensmitteln in Berührung kommen, wenn sie nach der Verarbeitung wieder rückstandslos entfernt werden können oder gesundheitlich unbedenklich sind. Dafür müssen sie auch nicht auf der Verpackung deklariert werden. Selbst Maschinenöl oder Schmierfett sind erlaubte technische Hilfsstoffe.

Zusatzstoffe wiederum „müssten“ komplett deklariert werden, wenn es da nicht einen Trick gäbe. Die Zusatzstoffe müssen nur für das Endprodukt angegeben werden. Zusatzstoffe, die zuvor in Teilen des Endprodukts eingesetzt wurden, müssen nicht angegeben werden. Niemand kennt die komplette Liste an technischen Hilfsstoffen und Zusatzstoffen, die von der Lebensmittelindustrie eingesetzt werden. Ein paar Hundert sind es sicher.

Ist Convenience Food deshalb gefährlich?

Zuerst einmal hat die Lebensmittelindustrie vor nichts mehr Angst als vor Skandalen. Wird die Menge an Convenience Food, die heute verkauft wird, ins Verhältnis zu offenkundig gewordenen gesundheitlichen Schäden durch Convenience Food gesetzt, ist die klare Antwort: Nein. Convenience Food ist nicht gefährlich für den Menschen.

Fertigprodukte Instant Food Ramen

Eine ständig steigende Lebenserwartung hat nicht nur etwas mit der medizinischen Versorgung zu tun, sondern auch mit dem, was wir essen. Es darf nicht vergessen werden, dass selbst die Natur Chemie einsetzt. So etwa bei der Deutschen Lieblingsbeilage, der Kartoffel. Die aus Südamerika stammende Knolle war früher in unreifem, grünen Zustand für den Menschen hochgiftig. Sie produzierte das Gift selbst zur Schädlingsabwehr. Moderne Zuchtkartoffeln besitzen dieses Gift nicht mehr. Nur ein Beispiel für den erfolgreichen Einsatz heutiger Lebensmitteltechnologie.

Kritik verdient jedoch die Verpackungsindustrie, die Hauptverantwortlichen für den Plastikmüll, die erst jetzt, fünf nach Zwölf, beginnt, bessere Verpackungsmittel zu entwickeln.

Fazit

Convenience Food steht mit der gesamten menschlichen Nahrungskette in Verbindung. Alles ist sehr eng miteinander verzahnt und dies in globalem Ausmaß. Die Palmöl-Plantage irgendwo in Asien wird gerne kritisiert, gleichzeitig wäre jeder einzelne Kühlschrank oder Küchenschrank in Deutschland nur noch zu einem Viertel gefüllt, wenn alle Produkte, in denen Palmöl eingesetzt wird, nicht mehr da wären. So ließe sich das ewig fortsetzen. Convenience Food ist ein Ergebnis des ungebremsten menschlichen Wachstums und umgekehrt.